| Franz Bittner

Würdig sterben unter strengen Regeln

Man kann das Schicksal und Leiden dauerhaft schwerkranker oder unheilbar kranker Menschen kaum nachvollziehen, wenn man nicht direkten Kontakt hat. Manche PatientInnen gehen damit überraschend souverän um, für andere ist es ein Leiden ohne Ende – und genau das wollen sie aber beenden.

Mit 2022 tritt in Österreich ein neues „Sterbeverfügungsgesetz“ in Kraft. Es regelt, wie künftig der assistierte Suizid abläuft und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Die Neuregelung war notwendig, da der Verfassungsgerichtshof im Dezember 2020 das Verbot des assistierten Suizids in Österreich mit Ende 2021 aufgehoben hat. Weiterhin aufrecht ist im Übrigen das Verbot der aktiven Sterbehilfe.

Welche Punkte müssen nun erfüllt sein, damit ein solcher assistierter Suizid von einem Betroffenen durchgeführt werden kann:

 

Die Voraussetzungen

Die betroffene Person muss volljährig und entscheidungsfähig sein. Minderjährige sind also von dieser Regelung ausgeschlossen.

Weiters muss der Betroffene entsprechend der gesetzlichen Definition schwerkrank oder unheilbar krank sein. Im Gesetzesentwurf steht dazu: Eine Sterbeverfügung könne einerseits nur von einer Person errichtet werden, „die an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit“ leide. Oder andererseits „an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen (…), deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen“. In beiden Fällen muss „die Krankheit einen für die betroffene Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand“ mit sich bringen.

Dass die Person entscheidungsfähig ist, müssen zwei Ärztinnen unabhängig voneinander bestätigen. Im Zweifelsfall muss ein Psychiater oder ein Psychologe darüber befinden.

 

Welche Krankheiten sind das konkret?   

Ob eine Krankheit die Voraussetzungen für eine Sterbeverfügung erfüllt, müssen ÄrztInnen entscheiden und das lässt sich nicht pauschal für alle Krankheiten im Voraus sagen. Leidet der Betroffene an einem unheilbaren Krebsleiden und hat nur noch wenige Wochen zu leben, werden die Voraussetzungen erfüllt sein. In Grenzfällen liegt die Entscheidung immer bei den ÄrztInnen.

 

Wie läuft das formale Verfahren ab?

Der betroffene Patient muss zuerst von zwei ÄrztInnen aufgeklärt werden. Das können beispielsweise der persönliche Vertrauensarzt und der behandelnde Facharzt sein. Einer der ÄrztInnen muss aber jedenfalls über eine palliative Qualifikation verfügen, das heißt im Umgang mit fortschreitender Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung geschult sein.

Die Mediziner müssen auf die Möglichkeit psychotherapeutischer Gespräche und die entsprechende Beratung zur Verhinderung eines Suizids hinweisen. Weiters müssen diese ÄrztInnen das Vorliegen der Krankheit und der Entscheidungsfähigkeit der Person bestätigen.

Danach ist eine Frist von zwölf Wochen einzuhalten, bevor die Sterbeverfügung bei einem Notar oder Patientenanwalt errichtet werden kann. Bei Personen, die nur mehr wenige Wochen zu leben haben, gilt eine verkürzte Phase von nur zwei Wochen.

 

Die Sterbeverfügung

Eine Sterbeverfügung ist mit einer Patientenverfügung vergleichbar. Sie muss vom Betroffenen höchstpersönlich – eine Vertretung ist nicht möglich –errichtet werden. Sie gilt als Nachweis dafür, dass sich jemand aus eigenem, dauerhaftem Entschluss dazu entschieden hat, eine solche Beihilfe zum Suizid in Anspruch zu nehmen.

 

Wie geht es dann weiter?

Mit der Verfügung kann die Person ein Präparat für den Suizid bei einer Apotheke abholen. Das kann der Betroffene selbst machen. Wenn es ein Vertreter übernehmen muss – weil der Betroffene beispielsweise bettlägerig ist – muss dieser Vertreter explizit in der Sterbeverfügung angeführt werden. Eine Zustellung durch die Apotheke ist auch möglich.

Die Person muss das Präparat dann selbst zu sich nehmen können, das kann in der Wohnung oder einem Spital geschehen.

Sollte man nicht in der Lage sein, das Mittel oral einzunehmen (zum Beispiel bei Schluckproblemen), ist auch eine Verabreichung über eine Sonde möglich. Allerdings muss auch der Betroffene die Zufuhr über die Sonde dann selbst auslösen.

 

Müssen Ärztinnen und Ärzte oder Apotheken bei der Sterbehilfe mitwirken?

Nein. ÄrztInnen und ApothekerInnen können eine Mitwirkung an der Sterbeverfügung ablehnen. ApothekerInnen ist es auch freigestellt, ob sie das Präparat zum Suizid überhaupt anbieten. Niemand ist also verpflichtet, bei der Sterbehilfe mitzuwirken.

 

Mehr Geld für die Palliativversorgung

Die Regierung hat bei der Regelung des assistierten Suizids betont, dass dieser nur eine Möglichkeit sei, um einen würdigen Abschied zu ermöglich. Daher wird parallel die Hospiz- und Palliativversorgung ausgebaut, um laut Gesundheitsminister Mückstein „ein flächendeckendes, wohnortnahes Angebot zu schaffen“. Daher wird derzeitige Förderung von sechs Millionen vom Bund 2022 auf 21 Millionen, 2023 auf 36 Millionen und 2024 auf schließlich 51 Millionen Euro erhöht.

 

Meine Meinung dazu: Es war hoch an der Zeit unheilbar bzw. sterbenskranken Menschen einen selbstbestimmten Tod zu ermöglichen, ohne, dass sterbebegleitende Einrichtungen wie z. B. in der Schweiz Profite daraus ziehen.

Nur Betroffene können den Hintergrund einer solchen Entscheidung tatsächlich verstehen. Umso wichtiger ist es, dass gleichzeitig die Betreuung in diesem Bereich ausgebaut wird. Damit all jene, die leben wollen, die bestmögliche und würdevolle Begleitung bekommen, wie es in einem reichen Land wie Österreich sein soll.

Ihr Franz Bittner