| Franz Bittner

Wie zufrieden sind Wiens PatientInnen und ÄrztInnen?

Die Ärztekammer Wien macht im Gesundheitsinfrastrukturreport, eine Bestandsaufnahme des Wiener Gesundheitssystems. Für 2020 steht die Erhebung besonders im Kontext der COVID-Krise und geänderter gesundheitspolitischer Rahmenbedingungen. Die Erhebungen umfassen u. a. die Zufriedenheit der WienerInnen mit der Gesundheitsinfrastruktur während der bisherigen COVID-19-Krise. Weitere Themen sind das Aufzeigen des bestehenden Investitionsbedarfs und was aus der Krise für die Gesundheitsinfrastruktur insbesondere mit Blick auf Digitalisierung, Telemedizin und Telefonhotlines gelernt wurde.

Auch Veränderungen des Verhaltens zur Erhaltung der Gesundheit bzw. der Inanspruchnahme von Gesundheitsinfrastrukturen sowie das Problembewusstsein für Pandemien sind Gegenstand der Erhebungen.

 

Die Wiener werden immer älter – gute Nachricht und Herausforderung zugleich

Wien steht vor einer weiteren Zunahme des Bevölkerungswachstums und wird zugleich immer älter. Die Bevölkerungsgruppe 65+ ist die am stärksten wachsende Gruppe. Wien hatte mit 1. Jänner 2020 einen Bevölkerungsstand von 1.911.191 Personen und die Statistik Austria geht davon aus, dass die Wiener Bevölkerung bis zum Jahr 2029 auf über zwei Millionen Menschen anwachsen wird.

Auch ist die Lebenserwartung der Wiener Bevölkerung merklich angestiegen. Mit einer Lebenserwartung bei einer Geburt im Jahr 2018 von 82,73 Jahren bei Frauen und 78,18 Jahren bei den Männern ist die Lebenserwartung im Laufe der letzten vierzig Jahre in Wien bei Frauen um rund 7,5 Jahre und bei den Männern gar um rund zehn Jahre angestiegen. Das zeigt, wie viel im Sozial- und Gesundheitswesen in den letzten Jahrzehnten verbessert wurde. Es ist gleichzeitig eine große Herausforderung, denn die steigende Lebenserwartung wird die Kapazitäten unseres leistungsstarken Gesundheitssystems in Zukunft ziemlich herausfordern.

Mit rund 678 Ärzten (exkl. Zahnärzte) pro 100.000 Einwohner*innen im Jahr 2018 weist die Stadt Wien im Vergleich zum österreichischen Durchschnittswert von rund 523 die höchste Ärztedichte aller Bundesländer auf. Die Gesamtzahl der Ärzte in den Wiener Krankenanstalten betrug 6.628 (Österreich: 25.079), dies entspricht mit rund 26,4 Prozent am gesamten bundesweiten Bestand dem größten Anteil.

 

Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln

Zuverlässige und gut ausgebaute öffentliche Verkehrsmittel zu den Wiener Krankenanstalten sind auch ein wesentlicher Faktor für eine gute Gesundheitsinfrastruktur. Die Analyse zeigt: Grundsätzlich sind alle Wiener Krankenanstalten per öffentlichem Verkehrsnetz wie U-Bahn, Straßenbahn, Bus oder Schnellbahn zu erreichen, allerdings ist die Anbindung teilweise nicht optimal.

So sind beispielsweise nur 25 aller Wiener Krankenanstalten und Pflegeeinrichtungen in einem Umkreis von unter zehn Minuten Fußweg an eine U-Bahn angebunden. In einem Fußweg Radius von maximal fünf Minuten liegen nur 14 Krankenanstalten. Das kann eine große Belastung insbesondere für ältere Mitbürger sein. Einige Krankenanstalten liegen fernab einer U-Bahn- bzw. S-Bahn-Verbindung. So gelangt man beispielsweise in die Klinik Favoriten nur mit dem Bus optimal. Die nächste Straßenbahnstation liegt fast einen Kilometer Fußweg entfernt.

 

Niedergelassene Ärzte sind eine wichtige Säule in der medizinischen Versorgung

In der COVID-19-Krise und der Phase des österreichweiten Lock-Downs brach die Anzahl der Patientenbesuche in den Ordinationen um bis zu 90 Prozent ein. Dabei waren rund 90 Prozent der Arztpraxen und -ordinationen in Wien durchgehend geöffnet.

Es wurden unter anderem vermehrt alternative Kommunikationswege wie Telefonberatung oder Videokonferenzberatung bzw. der Einsatz von Telemedizin zwischen Ärzten und Patienten angeboten und genutzt. Dazu habe ich bereits vor mehr als einem Jahr geschrieben.

Die COVID-19-Krise hat aufgezeigt, dass es aus der Sicht der Krisenbewältigung nötig sein wird, den niedergelassenen Bereich weiter auszubauen und finanziell zu stärken. Spitalsambulanzen sollten zukünftig entlastet werden und von Patienten möglichst nur in Notfällen aufgesucht werden. Das habe ich bereits 2019 gefordert.

Insbesondere sind neue, zusätzliche Kassenstellen für Einzel- und Gruppenpraxen notwendig, um eine adäquate Gesundheitsversorgung für die Wiener PatientInnen sicherzustellen. Mitte des

Jahres 2020 waren in Wien 5.434 niedergelassene Ärzte tätig. Aber nur rund ein Drittel der niedergelassenen Ärzte in Wien verfügt über Verträge mit einer oder mehreren Krankenkassen. Tendenziell ist zu erkennen, dass immer weniger niedergelassene ÄrztInnen einen Kassenvertrag haben und anstreben. Ich halte das für eine falsche Entwicklung. Aus meiner Sicht darf es nicht passieren, dass es zu einer Vermischung der Systeme zum Nachteil der Patienten kommt. Frei nach dem Motto „entweder lange Wartezeiten oder Geld auf den Tisch“.

 

Erfahrungen der Patienten und Ärzte während der COVID-19-Krise

Die Ergebnisse der repräsentativen Erhebungen zeigen weiterhin Zufriedenheit mit der Wiener Gesundheitsinfrastruktur.

Während die Patienten zu 24 Prozent (2018: 27 Prozent) „sehr zufrieden“ und zu 57 Prozent (2018: 55 Prozent) „zufrieden“ mit der Wiener Gesundheitsinfrastruktur sind, sind es bei den Ärzten 29 Prozent (2018: 17 Prozent), die „sehr zufrieden“ sind, und 53 Prozent (2018: 49 Prozent), die „zufrieden“ sind. Hier gilt es darauf zu achten, dass die Bedürfnisse der Wiener Patienten auch weiterhin im Fokus bleiben, ungeachtet wie schwierig dies während einer Pandemie ist.

40 Prozent der Patienten waren telefonisch in Kontakt mit ihren Hausärzten, 19 Prozent waren telefonisch in Kontakt mit den Fachärzten. Weitere acht Prozent waren telefonisch mit Spital oder Ambulanz in Kontakt. In deutlich geringerem Umfang wurden auch digitale Kommunikationswege genutzt: Neun Prozent waren digital mit ihren Hausärzten, fünf Prozent mit den Fachärzten und zwei Prozent mit Spital bzw. Ambulanz in Kontakt.

Elf Prozent berichten davon, dass Termine wegen der COVID-19-Krise abgesagt wurden, 37 Prozent geben an, während der bisherigen Hochphase der Krise keine gesundheitlichen Probleme gehabt zu haben.

Aus den Erfahrungen während der Betreuung in der COVID-19-Hochphase schließen 16 Prozent der befragten Patienten, dass man verstärkt auf Telemedizin setzen sollte, weitere 37 Prozent sagen dazu „eher ja“. 27 Prozent melden „eher nein“ zurück und zehn Prozent deklarieren sich als Gegner der Telemedizin.

 

Meine Zusammenfassung: Das Wiener Gesundheitssystem ist gut und hat sich in der Coronakrise bewährt. Es wurden rasch neue Lösungen gefunden, Krankschreibung per Telefon und vieles mehr ermöglicht. Der Gesundheitsinfrastrukturreport zeigt auch Schwächen und hier heißt es seitens der Politik anzusetzen und die Investitionen für die nächsten Jahre sicherzustellen. Es geht um das Wohl aller Wiener.

Ihr Franz Bittner