Seit Tagen wird in den Medien diskutiert, ob und wie sehr es Lieferengpässe bei Medikamenten gibt, wie hier im ORF. Tatsache ist, dass heuer bei fast 80 Medikamenten bereits Meldungen über Lieferschwierigkeiten vorlagen. Und die Emotionen gehen hoch zwischen Apothekerkammer und pharmazeutischer Industrie.
Enttäuschend finde ich dabei, dass offensichtliches „Recht haben“ allen Parteien wichtiger ist als das Vertrauen der Patienten. Es ist schlimm genug, dass es Fälle gab, wo lebenswichtige Arzneimittel wie „Imurek“, für Patienten, die eine Transplantation hinter sich haben und bei „EpiPen“, das Wespenallergiker als lebensrettende Injektion benötigen, nicht lieferfähig waren.
Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz ist hier gefordert, sowohl kurzfristige Maßnahmen zur Sicherstellung der Lieferfähigkeit zu unternehmen als auch langfristig für die notwendigen Rahmenbedingungen zu sorgen. Im Gesundheitsministerium erarbeitet eine Taskforce aktuell Maßnahmen zur besseren Versorgung der Patienten.
Gute Preispolitik führt öfter zu Nachteilen für die Patienten
Was wir derzeit erleben, ist – zumindest teilweise – das Ergebnis der Sparpolitik im Gesundheitswesen. Die europäischen Gesundheitssysteme – in Österreich der Hauptverband – verhandelt mit den Pharmaunternehmen günstigere Preise und die großen Pharmafirmen verlagern daraufhin ihre Produktionen in den Fernen Osten nach China oder Indien, wo es öfter zu Verunreinigungen und daher zu Engpässen kommt, da solche Medikamente nicht ausgeliefert werden dürfen. Dazu kommt noch, dass Lagerbestände von Medikamenten so niedrig wie möglich gehalten werden.
Wenn nun für einbestimmtes Medikament in einem Land in Europa oder in den USA bessere Preise erzielt werden, dann werden diese Länder bevorzugt beliefert und andere Länder müssen warten. Der Preis bestimmt die Menge die geliefert wird, obwohl die Pharmaunternehmen sich in Österreich verpflichten müssen, die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
In Österreich gab es heuer 80 Meldungen, in Deutschland alleine im Juni 226 Meldungen über eine eingeschränkte Verfügbarkeit oder einen Lieferengpass von Medikamenten. Andererseits haben wir in Österreich über 13.000 zugelassene Arzneimittel, von denen lt. Pharmig über 99 Prozent lieferbar sind.
Wie kann man die Verfügbarkeit von Medikamenten sicherstellen?
Ich bin skeptisch, dass sich das Problem nur dadurch lösen lässt, indem man die Produktion der Medikamente teilweise wieder nach Europa zurückholt. Denn die Aktionäre der Pharmafirmen möchten natürlich ihre Dividenden jährlich erhöht wissen und zusätzlich würde es wieder zu Preiserhöhungen kommen.
Absolut sinnvoll wäre es daher, wenn Pharmafirmen Engpässe rascher melden müssten und die Verteilungswege europaweit transparenter wären.
Eine weitere Lösung zur Entschärfung der Engpässe wäre es Ärzten zu gestatten, Wirkstoffe statt Medikamente zu verschreiben. Dann könnten Apotheker auf ein lagerndes Präparat mit demselben Wirkstoff ausweichen. Im benachbarten Deutschland existiert diese Lösung bereits.
Meine Meinung: Das Wohl und das Vertrauen der Patienten muss im Mittelpunkt stehen. Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen niemanden weiter. Die Probleme werden sich nicht von heute auf morgen aus der Welt schaffen lassen. Alle Beteiligten müssen sich gemeinsam an einen Tisch setzen und Lösungen im Sinne der Patienten erarbeiten. Und wir brauchen ein Frühwarnsystem, um schnell und rechtzeitig auf Versorgungsengpässe zu reagieren und die Versorgung sicherzustellen.