| Franz Bittner

Wenn das Medikament in der Apotheke nicht verfügbar ist

Es klingt eigentlich absurd. In einem reichen Land wie Österreich sind Medikamente nicht immer verfügbar. Und wir sprechen hier nicht von einigen wenigen Medikamenten, sondern in der Realität hunderten!

Oft ist in der Berichterstattung die Rede davon, dass es sich bei den fehlenden Arzneimitteln häufig um hoch spezielle, zum Teil kompliziert zu produzierende High-Tech-Medikamente handle. Tatsächlich ist das nur ein Teil des Problems, denn es betrifft auch Massenarzneimittel. Das löst bei den Patienten Unverständnis und Verunsicherung aus. Es entsteht der Eindruck, dass der Arzt nicht weiß, welches erhältliche Arzneimittel zu verschreiben ist oder der Apotheker nicht in der Lage ist, es zu besorgen.

Warum sind Medikamente nicht verfügbar?

Schuldzuweisungen zwischen Pharmaindustrie, Großhandel und Apotheken stehen auf der Tagesordnung. Als Patientenombudsmann für alle Wiener wünsche ich mir hier rasch umfassende Gegenmaßnahmen. Einer alleine ist natürlich nicht schuld. Die Situation ist für alle Beteiligten unangenehm, für die Pharmaindustrie, den Großhandel, die Apotheker, die Ärzte und Patienten.

Tatsache ist, dass Arzneimittel in Ländern unterschiedliche Preise haben, auch in der EU . Und Österreich eines jener Länder ist, das durch geschicktes Verhandeln des ehemaligen Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherung, eher niedrigere Preise hat. Der Verkauf von Arzneimitteln aus Österreich nach Deutschland oder in andere EU -Staaten zahlt sich aufgrund der höheren Preise aus.

Laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (kurz AGES) liegt ein wesentlicher Teil der Problematik in der zunehmenden Monopolisierung bei der Herstellung der Wirkstoffe. Gab es früher sieben Anbieter, sind es heute oft nur noch zwei. Und die Lieferausfälle betreffen zumeist genau jene Medikamente, deren Herstellung aufwendig ist, aber in Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern einen kostengünstigeren Preis haben.

Was wird in Österreich dagegen getan?

Von Seiten der Politik wurden bei der AGES drei Arbeitskreise zur Arzneimittel-Versorgungssicherheit eingerichtet. Einer befasst sich mit dem Brexit, auf den Österreich bereits gut vorbereitet ist. Der zweite mit den Lieferengpässen und stimmt dies mit Großhandel, Apothekern und Kliniken ab. Der dritte Arbeitskreis befasst sich mit der Standardisierung von Rückrufaktionen im Fall, dass Probleme in der Produktion von Arzneimitteln auftreten.

Die österreichischen Apotheker fordern ein deutlich umfassenderes System. Die wichtigsten Bestandteile sollen wie folgt sein:

  • ein verpflichtendes Meldesystem für die Pharmaindustrie bei auftauchenden Lieferproblemen (Vertriebseinschränkungsregister).
  • ein Kommunikationsnetz zwischen Großhandel, Ärzten und Apothekern, vergleichbar mit einem Ampelsystem durch das Ärzte sofort sehen, welches Medikament eventuell nicht erhältlich sein kann
  • Apotheker sollen im Einzelfall ein verschriebenes Medikament durch ein gleichwertiges ersetzen dürfen, wenn der verschreibende Arzt nicht erreichbar ist.
  • die Gesundheitspolitik und Krankenkassen müssen gemeinsam das Preisniveau in Österreich bei den Arzneimitteln vergleichbaren EU -Mitgliedsstaaten anschauen, um keine zu großen Preisunterschiede entstehen zu lassen.

Die letzte Forderung ist natürlich für unsere Verhandler unannehmbar, würde solch ein Vorgehen doch der Pharmaindustrie in die Hände spielen, die sich ihrer monetären Dominanz äußerst bewusst sind und bereits sehr lange höhere Preise für ihre Produkte verlangen.

Auch die Apotheker würden von solch einer Preissteigerung profitieren, werden doch ihre Umsätze von den Preisen der Medikamente bestimmt, die von der Solidargemeinschaft der Beitragszahler bezahlt werden müssen. Zusätzlich profitieren einige Apotheken von der derzeitigen Situation, da diese auch eine Großhandelslizenz besitzen und selbst an der Misere verdienen, indem sie Medikamente die für den österreichischen Markt bestimmt sind ins Ausland transferieren um höher Preise zu lukrieren.

Es wäre längst an der Zeit, dass sich die Politik diesem Thema verstärkt annimmt und geeignete Maßnahmen gegen diesen „Skandal“ unternimmt, legistische Möglichkeiten gebe es genügend.

Mein Rat an Sie: Ja, die Situation, dass Medikamente in Österreich nicht lieferbar sind ist beunruhigend, aber es besteht derzeit noch kein Grund zur Panik. Von den rund 13.000 Pharmaprodukten für Österreich ist eine Lieferfähigkeit von 99 Prozent – noch – gegeben. Sollten sie oder einer ihrer Angehörigen allerdings ein Medikament nicht oder sehr verzögert bekommen haben, empfehle ich ihnen diese Situation mit ihrem Arzt zu besprechen. Er kann am besten beurteilen, welche Medikamente ersatzweise zur Behandlung eingesetzt werden dürfen.

Ihr Franz Bittner