Seit Beginn unserer Tätigkeit 2013 war das Jahr 2020, das bisher am meisten herausfordernde Jahr für die Patientenombudsstelle .
Die Beschwerden erreichten 2020 leider ihren vorläufigen Höhepunkt. Waren es im Jahr 2019 noch 1.547 Beschwerden, sind es nun 2020 um 25,3 Prozent mehr: Wir liegen bei 1.939 Beschwerden im vergangenen Jahr. Diese eklatante Steigerung ist natürlich dem Corona-Thema geschuldet.
- Die Telefonkontakte erhöhten sich um 16,7 Prozent, von 2.698 (aus dem Jahr 2019) auf 3.149 Anrufe im Jahr 2020.
- Die vom Ombudsmann an die Schiedsstelle übergebenen Fälle reduzierten sich erheblich. 2020 waren es „nur“ 16 Fälle, ein Minus von 51,5 Prozent.
- Die übergebenen Fälle an den Disziplinarrat blieben konstant. 2019 wurden zehn Beschwerden weitergeleitet, 2020 waren es neun.
Es kam zu einem Anstieg der Bekanntheitsgrad des „Patientenombudsmanns“. Das ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen:
- Die Akzeptanz unserer Website patientenombudsmann-wien.at steigt kontinuierlich. Viele Beschwerden wurden online gepostet.
- Die regelmäßigen ORF 2-Fernsehspots und vier Sendungen auf Radio Wien, bei denen Patientinnen und Patienten anrufen und mit dem Ombudsmann ihre Probleme diskutieren können
- und der monatliche Kommentar des Patientenombudsmanns in der Tageszeitung Kurier haben ebenfalls zur Bekanntheit beigetragen.
Darüber beschweren sich die Wiener Patientinnen und Patienten
Bei den Beschwerden stehen nach wie die medizinischen Probleme der Patientinnen und Patienten im Vordergrund. Bereits an der nächsten Stelle liegt das Verhalten der Ärztinnen und Ärzte zu ihren „Kunden“. Oftmals sind es „nur“ Verständigungsschwierigkeiten, die zu Konflikten führen, oft aber auch rechtliche Probleme (z. B. mit der Sozialversicherung, Kritik an der Höhe des Honorars und Terminprobleme). Unter den Begriff „Sonstiges“ fallen dann all jene Beschwerden, die keinem klar definierten Bereich zuzuordnen sind. Zumeist fallen diese Beschwerden auch nicht unter das Regime der Ärztekammer (wie z. B. Physiotherapeuten, Psychologen, Psychotherapeuten, Schamane die nicht als Ärztinnen und Ärzte bei der Ärztekammer gemeldet sind).
Die Beschwerden über die Wiener Spitäler stiegen um 12 Prozent zum Vorjahr. Viele dieser Beanstandungen bezogen sich daruf, dass da Patientinnen und Patienten nicht in die Ambulanzen der Spitäler eingelassen wurden. Tatsache ist, dass in der Pandemie die Ambulanzbesuche deutlich reduziert wurden und der Zutritt meist nur über ein Bestellsystem möglich gemacht wurde. Viele Patientinnen und Patienten wurden außerdem von der Triage abgewiesen.
Das reformierte Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz sorgt ebenfalls für Kritik. Diese kommt sowohl von Patientinnen und Patienten als auch von den privaten Fahrtenanbietern. Das Gesetz wurde dahingehend geändert, dass Kranke nur mehr durch qualifiziertes Personal von Krankentransport-Organisationen transportiert werden dürfen. Eigentlich ist das im Sinne der Patientinnen und Patienten, aber die Durchführung scheint chaotisch bis katastrophal zu sein. Jedenfalls wurde uns das von vielen der Versicherten gemeldet. Es häufen sich Beschwerden über stundenlange Wartezeiten. Leider sind die betrauten Rettungsorganisationen oft überlastet. Daher müssen Menschen oft einige Stunden auf die qualifizierten und ausgebildeten Zivildienerinnen und Zivildiener warten. Dieser Zeitraum währt deutlich länger als früher.
Ich finde es ein fadenscheiniges Argument, dass man Privatorganisationen vorwirft, sie hätten kein qualifiziertes Personal. Man wollte sie damit per Gesetz von den Patientinnen oder Patienten fern halten. Hier wäre es für den Gesetzgeber sehr einfach, Qualitätskriterien zu definieren. So hätten sich auch die privaten Fahrtenanbieter bewerben können. Wer die geforderten Kriterien nicht erfüllen kann, bekommt keinen Vertrag.
Höhere Fallzahlen bei Hausärztinnen und -ärzten
Die vorherrschende Pandemie hat sich auf die „Fallzahlen“ der einlangenden Beschwerden ausgewirkt. Die höchsten Steigerungen gab es bei den anonymen Anfragen und Beschwerden, sie stiegen um 62 Prozent. Dann folgten die Beschwerden über Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner mit 40 Prozent. Die hohe Steigerung bei den Hausärzten ist natürlich der Pandemie geschuldet.
Am Beginn der Pandemie standen die Hausärzte an vorderster Front, da die Patientinnen und Patienten kaum Fachärztinnen und -ärzte aufsuchten. Zu groß war die Angst vor einer Ansteckung.
Die Hausärzte mussten ihre Patienten, vor allem die chronisch Kranken, weiter betreuen – häufig ohne die passenden Schutzkleidungen zu haben. Das führte zu vielen Irritationen, speziell bei älteren Ärztinnen und Ärzten, die selbst häufig zu den Risikogruppen zählen.
Ein immer größer werdendes Problem stellen jene Hausärzte dar, die in Pension gehen. Selten gibt es Nachfolger für deren Ordinationen. Was ich selbst mir vor 15 Jahren nicht vorstellen konnte, ist leider bereits eingetreten. Wien hat zu wenige Vertragsärzte bei den Praktikern oder Kinderärzten. Hier haben sich die „Ökonomen“ der SV durchgesetzt, getrieben von der Politik. Nun versucht man mit Prämien Kinderärztinnen und -ärzte dazu zu animieren, dass diese einen Vertrag mit der ÖGK abschließen.
Mehr Beschwerden über Spezialisten
Gerade die Steigerungen der Beschwerden im Bereich der Frauen- und Kinderheilkunde mit 30 und 23 Prozent machen mich nachdenklich. Die meisten Beschwerden über Gynäkologinnen und Gynäkologen befassten sich mit ausgestellten Honoraren für Ultraschalluntersuchungen. Diese werden bereits von den meisten Krankenversicherungen durch bessere Verträge für die Versicherten abgedeckt.
Der Vertragsärzte-Mangel bei Kinderärztinnen und -ärzten führt zu großen sozialen Unterschieden. Eltern stellen immer häufiger die Errungenschaften unserer Pflichtversicherung in Frage. Sozial schwächere Familien, aber auch der Mittelstand, können und wollen sich Privatärzte oft nicht leisten. Durch den Mangel an Vertragsärztinnen und -ärzten werden immer mehr Familien an den sozialen Rand gedrängt. Sie kritisieren völlig zu Recht die Sozialversicherung und die Gesundheitspolitik. Die psychischen Erkrankungen bei Kindern nehmen zu und die wenigen Vertragsärztinnen und -ärzte sind hier ausgelastet.
Leichter Rückgang bei besonders schweren Fällen
An die Patientenschiedsstelle wurden 33 Fälle übergeben. Das waren geringfügig weniger als im Vorjahr. Der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer musste 10mal bemüht werden – ebenfalls ein geringfügiger Rückgang.
Was mich ärgert und erheitert
Es ist immer häufiger zu bemerken , dass sich durch die verordneten Corona-Maßnahmen eine Art Denunziantentum ausbreitet. Wir werden als Ombudsstelle häufig kontaktiert und informiert, dass Ordinationen, Ärztinnen oder Ärzte und deren Personal die Hygieneverordnungen nicht einhalten. Ärztinnen und Ärzte sowie deren Mitarbeiter haben die Masken nicht korrekt angelegt. Plexiglasbarrieren sind ungenügend. Die Bestuhlung in den Ordinationen ist zu eng aufgestellt. Wartende stehen bis ins Stiegenhaus Schlange.
Ja, es stimmt: wir müssen uns alle diszipliniert an die Auflagen halten. Letztlich sind wir aber alle nur Menschen und jedem kann duchaus auch einmal eine Nachlässigkeit passieren. Ein freundlicher Hinweis hilft hier oft deutlich besser, als eine Beschwerde.
Die „lustigste“ Beschwerde bekam ich zu einer Ordination, die einen Vorgarten hat. Dieser wurde im Sommer mit einer Plane gegen die Hitze beschattet. Es waren Sitzgelegenheiten für die Wartenden vorhanden und es wurde auch aufgrund der sommerlichen Temperaturen Wasser gereicht. Ein Patienten beschwerte sich dennoch, dass er unter solchen „widrigen“ Umständen warten musste. Er meinte „Wie wird das erst im Winter sein?“ Der Ordinationsbetreiber versicherte mir glaubhaft, dass er an den kalten Tagen Punsch ausschenken wird. Schön, wenn Ärztinnen und Ärzte auch in solchen Situation ihren Humor bewahren.
Und dann noch das Thema Impfen
Impfen oder nicht impfen – das ist hier die Frage! Das Thema bewegt die Menschen allerdings nicht in dem Ausmaß, wie uns die Inserate der Regierung glauben machen wollen. Die Menschen interessiert, wann und wo sie sich impfen lassen können. Das stimmt wirklich zuversichtlich, denn Impfungen retten leben. Gegen Corona und die Grippe. Mehr Information zur Impfung gegen Corona habe ich hier für sie zusammengestellt.
Seit 2013 gibt es den Patientenombudsmann in Wien
Die Patientenombudsstelle der Ärztekammer Wien gibt es seit 2013. Sie wird vom vormaligen Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse, Franz Bittner, dessen Vertrag als Patientenombudsmann im Jahr 2018 um weitere fünf Jahre verlängert wurde, geleitet.