| Franz Bittner

Telefonische Krankmeldung muss weiterhin möglich sein

Ich verstehe es nicht – und das schreibe ich als Patientenombudsmann in Wien. Gestern Abend sagte Österreichs Bundeskanzler im „ORF-Sommergespräch“ (Link öffnet in eigenem Fenster), dass demnächst strengere Maßnahmen kommen müssten, weil sich die Menschen im Herbst wieder mehr in geschlossenen Räumen aufhalten würden.

Und dann stellt man die telefonische Krankmeldung in Abrede.

 

Die telefonische Krankmeldung schützt – Patienten und Ärzte

Diese Regelung wurde im März dieses Jahres, zu Beginn der Coronakrise, eingeführt. Seitdem lag es im Ermessen der Ärzte, ob und bei welchen Patienten sie telefonische Krankschreibungen durchführen. Eine Verpflichtung dafür gab es aber nicht. In dieser Situation war eines wichtig: die Reduktion der sozialen Kontakte, vor allem auch in den Ordinationen. Aus meiner Sicht war das eine enorm wichtige Maßnahme! Denn die „Formel“, die uns die letzten Monate gelehrt haben, lautet ganz einfach: Je weniger persönliche soziale Kontakte in der Bevölkerung entstehen, desto geringer ist die Ansteckungsgefahr.

Im Zentrum des Gedankens liegt, die medizinische Grundversorgung weiterhin sicherzustellen. Daher ist es besonders wichtig, weiterhin auf Schutzmaßnahmen wie Abstandhalten, Reduktion sozialer Kontakte und Mund-Nasen-Schutz zu setzen. Gerade für die nächsten Wochen und Monate durch den Herbst und Winter. Die telefonische Krankschreibung ist dabei eine wichtige Maßnahme, um das Ansteckungsrisiko in Ordinationen deutlich zu minimieren. Patienten und niedergelassene Ärzte werden damit keinem unnötigen Infektionsrisiko ausgesetzt.

 

Kein Ende dieser Regelung – wenn es nach den Experten geht

Die telefonische Krankmeldung soll nun aber plötzlich ab 1. September nur mehr für Menschen mit Coronasymptomen möglich sein. Alle anderen Patienten müssen ab nun wieder persönlich in die Ordinationen kommen, um sich krankschreiben zu lassen.

Ganz ehrlich gesagt, verstehe ich das nicht, und vielen anderen geht es ebenso.

Im Gesundheitsbereich stößt diese Nichtverlängerung auf Unverständnis. Der Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart (Link zum Lebenslauf öffnet in eigenem Fenster) befürchtet eine „bürokratische Wurschtlerei“, und auch der Patientenanwalt Gerald Bachinger hält das Auslaufen für „ein vollkommen falsches Signal“.

Keiner der verantwortlichen „Experten“ kann nachvollziehen, warum man etwas zurücknimmt, das gut funktioniert hat – insbesondere auch dann, wenn es von den Patienten und Ärzten gut angenommen wurde. Grund für das Scheitern der Fortsetzung soll laut Gerald Bachinger der Widerstand der Arbeitgebervertreter in der Österreichischen Gesundheitskasse gewesen sein. Sie befürchten hier eine missbräuchliche Verwendung.

Für eine solche Behauptung gibt es aktuell keine Fakten, ganz im Gegenteil: Schaut man auf die Zahlen, dann sind die Krankenstands­meldungen zuletzt massiv zurückgegangen. Wird diese „Schnapsidee“ nicht zurückgenommen, dann wird die Notfallnummer 1450 (Link zur Webseite öffnet in eigenem Fenster) im Herbst und Winter massiv überlastet sein. Das kann zu einem organisatorischen Zusammenbruch der Notfallnummer führen. Dieses Argument müsste auch dem einfältigsten Versichertenvertreter vonseiten der Arbeitgeber zugänglich sein.

 

Mehrbelastung für Patienten und Ärzte

Ein Szenario sollten die Entscheider dieser Regelung allerdings im Kopf haben: Im Herbst kommt auch die Grippezeit wieder. Es wird für Ärzte praktisch unmöglich sein, in einem Telefonat zu unterscheiden, wer Anzeichen von Grippe und wer Coronasymptome zeigt.

Die Konsequenz daraus ist, dass Patienten in die Ordinationen kommen müssen. Damit steigt das Risiko einer Verbreitung – sowohl von Corona als auch der Influenza – potenziell an. Ebendiese Patienten sind dann nicht nur in den Ordinationen, sondern auch in öffentlichen Verkehrsmitteln, im eigenen Auto oder mit dem Taxi unterwegs.

Ein unnötiges und völlig inakzeptables Risiko, das leicht zu vermeiden ist.

 

Was sollte getan werden?

Wir brauchen eine generelle Verlängerung der telefonischen Krankschreibung.

Und um die zweite Coronawelle im Herbst möglichst gut bewältigen zu können, braucht es neben der Krankschreibung per Telefon zusätzliche weitere Maßnahmen:

  • Die telefonische Gesundheitsberatung unter der Nummer 1450 muss ausgebaut werden, und auch
  • die Televerschreibung von Medikamenten muss möglich sein.

Nur so bieten wir Patienten und Ärzten den maximalen und notwendigen Schutz.

Daher lautet mein dringender Appell: Noch diese Woche müsste im Gesundheitsministerium (Link öffnet in eigenem Fenster) ein Gespräch zwischen Minister Rudolf Anschober und den Patientenanwälten sowie Vertretern der ÖGK (Link öffnet in eigenem Fenster) stattfinden. Ich appelliere an alle, das Wohl und den Schutz der Patienten und der Ärzte in den Fokus zu stellen und jegliches unnötige Risiko zu vermeiden.

Ihr Franz Bittner