Sie brauchen dringend einen Termin bei einem niedergelassenen Kinderarzt, doch den nächsten freien Termin gibt es – mit Ausnahme von Notfällen – erst in einigen Wochen. So geht es derzeit vielen Eltern in Wien, die einen Kinderarzt benötigen. Die Beschwerden nehmen zu, der Unmut der Eltern ist verständlich. Denn trotz – manchmal – hoher Versicherungsbeiträge bleibt ihnen in solchen Fällen nur mehr die Möglichkeit, mit ihrem Kind in eine der überfüllten Spitalsambulanzen auszuweichen oder auf eigene Kosten einen Wahlarzt aufzusuchen.
Ärzte wollen keine Kassenverträge mehr
Dass es massive Engpässe in der Versorgung der jungen Patienten gibt, ist weithin bekannt. Seit Jahren wird auf den drohenden Kinderärztemangel – bedingt durch Pensionierungen und fehlende Nachfolger – im niedergelassenen Bereich hingewiesen. Die Wiener Gebietskrankenkasse hat zunehmend Schwierigkeiten, die ausgeschriebenen Kassenstellen zu besetzen. Denn anders als noch vor einigen Jahren bemühen sich immer weniger Mediziner um einen Kassenvertrag. Das Modell scheint an Attraktivität eingebüßt zu haben, vor allem junge Ärzte wählen alternative Varianten, die weniger Bürokratie und mehr Flexibilität erwarten lassen. Ein Blick auf die Anzahl der Wiener Kinderärzte verdeutlicht den Trend: Aktuell sind hier 83 Ärzte mit Kassenvertrag tätig, während auf der anderen Seite bereits 109 Kinderärzte eine Wahlarztpraxis betreiben. Der brisante Kreislauf in Richtung einer Zwei-Klassen-Medizin ist damit längst in Gang gesetzt.
Woran liegt es also, dass sich immer weniger Ärzte für einen Kassenvertrag entscheiden? Unterliegt das Berufsbild einem Wandel, dem die Krankenkassen nicht mehr gerecht werden? Entsprechen die Vorgaben und Versprechen nicht mehr den Anforderungen und Möglichkeiten der Ärzte, um ihre Tätigkeit bestmöglich auszuüben?
Dem aktuellen Gesundheitsbarometer zufolge, das jüngst vom Institut Public Opinion Strategies durchgeführt wurde, plädieren Ärzte für bessere Honorare, damit wieder mehr Mediziner einen Kassenvertrag annehmen. Außerdem interessant: Die Umfrage liefert auch ein Stimmungsbild über die Zufriedenheit der Ärzte. Demnach sind 71 Prozent der Wiener Ärzte der Meinung, dass sich das österreichische Gesundheitssystem in die falsche Richtung entwickelt. Dabei sind 79 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass das Gesundheitssystem ein Zwei-Klassen-System darstellt. Es knirscht also im System, der Ärztemangel bedarf einer dringenden Lösung, denn die Situation ist längst nicht nur auf den Fachbereich der Kindermedizin beschränkt, sondern betrifft auch Allgemeinmediziner.