Aufgrund der immer größer werdenden Probleme eine Kassenordination zu finden, die einerseits neue PatientInnen aufnimmt und andererseits ihre PatientInnen auch adäquat behandeln kann, ist ein Diskurs zwischen der ÖGK und der ÄK entstanden.
Der Obmann der ÖGK schlägt vor, dass den Versicherten die einen Wahlarzt oder -ärztin aufsuchen keine Kostenerstattung von 80 Prozent refundiert wird. Mit dieser Gesetzesänderung – die wäre notwendig – glaubt er, dass sich wieder mehr Ärztinnen und Ärzte um einen Kassenvertrag bemühen werden und damit hätten die Versicherten eine bessere, eine quantitative Versorgung mit VertragsärztInnen.
Die ÄK lehnt diesen Vorschlag kategorisch ab, ist sie doch die Standesvertretung aller Ärztinnen und Ärzte und agiert im Sinne einer Gewerkschaft, die für ihre Klientel die ökonomische Situation verbessern, aber mit Sicherheit nicht verschlechtern möchte.
Für mich ist dies ein Schaukampf beider Vertragspartner, der der Ärzteschaft und der Versichertengemeinschaft eine Aktivität vorspielt und suggeriert: Schaut her wir tun etwas gegen die Misere der vertragsärztlichen Unterversorgung, wir sind dabei Probleme zu lösen. Man könnte glauben die ÖGK ist bei der derzeitigen Bundesregierung in die Lehre gegangen. Viel Plauderei und wenig Dampf. Wobei Obmann Huss die Rechnung ohne den Wirt gemacht hat, denn erstens haben die Arbeitnehmervertreter leider keine Mehrheit in der ÖGK und zweitens wären sie auf die Zustimmung der Bundesregierung angewiesen, die mit Sicherheit solch einer Gesetzesänderung die Zustimmung verweigern würde. Also, viel Lärm um nichts.
Dass Obmann Huss ein immer größer werdendes Problem anspricht, ist absolut richtig, sein Lösungsansatz aber falsch. Sogar dann, wenn er sein Vorhaben durchbringen würde, so würde sich an der Misere nicht viel ändern. Denn auch ohne Kostenerstattung müssten viele Versicherte einen Privatarzt oder -ärztin aufsuchen, wenn sie rasch behandelt werden wollen, denn wir haben tatsächlich einen veritablen Ärztemangel bei den VertragsärztInnen, obwohl genügend Ärztinnen und Ärzte in Österreich und vor allem in Wien ordinieren, beschäftigt oder beides in Personalunion sind.
Ärzte in Wien
Wien | Allgemeinmediziner | Fachärzte |
2020 | 3.228 | 7.774 |
2018 Vertragsärzte WGKK | 721 | 836 |
Quelle: Statistik Austria und Jahresbericht 2018 WGKK
Die meisten Ärztinnen und Ärzte gibt es in Wien. So stehen 3.228 Allgemeinmediziner und 7.774 Fachärzte der Wiener Bevölkerung theoretisch zur Verfügung. Dass Problem dabei ist, dass davon nur 22 Prozent der AllgemeinmedizinerInnen und 11 Prozent der FachärztInnen einen Vertrag zur ÖGK haben. Besonders dramatisch ist die Unterversorgung bei den VertragskinderärztInnen. Etwas besser haben es die Versicherten der Sonderversicherungsträger, die etwas mehr Ärztinnen und Ärzte unter Vertrag haben. Beamte, Eisenbahner und Selbstständige sind etwas privilegierter als „normale“ Arbeiter, Arbeiterinnen und Angestellte die den Löwenanteil der Kosten zum Gesundheitswesen beitragen.
VertragsärztInnen
Die „geringe“ Anzahl von Verträgen führt natürlich auch dazu, dass die Ambulanzen der Krankenhäuser überlaufen sind, denn wohin sollen sich kranke Versicherten begeben, wenn sie sich keinen Wahlarzt oder -ärztin leisten können. Dieses Missverhältnis führt wiederum dazu, dass die Gesundheitskosten steigen, da Leistungen der Krankenhäuser wesentlich teurer sind als die Kosten der niedergelassenen VertragsärztInnen.
Das kratzt die Krankenkassen wiederum nicht sonderlich, da sie ungefähr die Hälfte aller Kosten der Krankenhäuser bezahlen müssen, die andere Hälfte bezahlen die Länder und Gemeinden. Das österreichische Gesundheitswesen frisst sich selbst auf.
Was die Reaktion der Ärztekammer betrifft so ist diese nachvollziehbar, denn umso mehr ihre Ärztinnen und Ärzte Umsatz machen, umso mehr Geld fließt an Mitgliedsbeiträgen an die einzelnen Ärztekammern und in deren Wohlfahrtsfonds.
Reform nötig
Langsam wird es aber Zeit, dass sich der Bund, die Länder und die Sozialversicherung um eine Reform – die auch den Namen „Reform“ verdient – bemühen.
Es wurden zwar in den letzten zwanzig Jahren einige positive Einzelreformen wie die ELGA, der elektronische Impfpass, die E-Card, Gruppenpraxen und Erstversorgungszentren gemeinsam mit Zustimmung der Ärztekammern geschaffen, doch am eigentlichen Problem der chronischen Unterfinanzierung der Krankenversicherung wurde nichts gelöst. Dabei wissen die Verantwortlichen seit Jahren, dass dies nur in Zusammenarbeit zwischen Krankenversicherung, Länder und Bund zu bewerkstelligen ist. Das „Zauberwort“ heißt Finanzierung aus einem Topf. Erst wenn alle Zahler im Gesundheitswesen ihre Beiträge bündeln und einen volkswirtschaftlichen Blick auf die Ausgaben und Leistungen haben, kann das Gesundheitswesen qualitativ und effizient geleitet und geführt werden.
Die Zusammenlegungen der Gebietskrankenkassen und Sonderversicherungsträger wurde nur aus dem Grund getätigt um die Macht der Arbeitnehmervertretungen zu reduzieren und diese den Arbeitgebern – sprich ÖVP – zu übertragen, und nicht um ernsthafte Reformen einzuleiten.
Die derzeitige Führung der SV gibt mir das Gefühl, dass geplant ist, der Versichertengemeinschaft nur mehr eine Grundversorgung anzubieten, und wer genügend Geld hat, kann sich privat versichern. Das ist und war aber nicht die Absicht der Gründer der Sozialversicherung. Diese Politiker – vor allem der Gewerkschafter und erster Präsident des Hauptverbandes Johann Böhm – wollten, dass die Menschen in unserer Republik eine gute soziale Absicherung über ihr ganzes Leben haben. Eine seiner wichtigsten Lehren lautet: „Soziale Sicherheit ist die verlässlichste Grundlage der Demokratie“. Dieser Satz sei den derzeitigen Stakholdern unseres sozialen Gesundheitswesens wieder in Erinnerung gerufen.
Meint ihr Franz Bittner