| Franz Bittner

Jede Frau sollte Zugang zur Mammographie haben.

Brustkrebs zählt zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen. Die beste Vorsorge ist die Früherkennung! Denn je früher die Krankheit erkannt wird, desto schonender kann die Therapie erfolgen, und umso besser stehen die Chancen für eine vollständige Heilung. Dafür wurde vor eineinhalb Jahren das Vorsorgeprogramm „früh erkennen“ für gesunde Frauen ab vierzig ins Leben gerufen. 
Warum die Mammographie für Frauen jeden Alters zugänglich sein muss, welche Neuerungen es gibt und wo das Programm noch verbessert werden könnte, erklärt Gesundheitsexpertin Dr. Elisabeth Pittermann im Interview. 

FRAGE: Frau Dr. Pittermann, das österreichische Brustkrebs-Früherkennungsprogramm läuft seit fast eineinhalb Jahren und musste mehrmals nachgebessert werden. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung?
Elisabeth Pittermann: Mäßig zufrieden. Der Ansatz ist gut, die Diagnostik wurde verbessert. Screeningprogramme erfassen eine bestimmte Altersgruppe, in Österreich sind das die 45- bis 69-Jährigen. Die Einladungen waren am Anfang so unauffällig gestaltet, dass diese Kuverts von vielen Frauen ungelesen entsorgt wurden. Der große Nachteil war und ist: ohne bestimmte Verdachtsmomente dürfen Frauen nicht mehr zu einer Mammographie zugewiesen werden. Während die Inzidenz des Mammakarzinoms, also die Anzahl der Neuerkrankungen, bei den unter 45-Jährigen sehr gering ist, steigt die Inzidenz bei den bis zu 85-Jährigen laut einer Publikation des Gesundheitsministeriums. Um eine Mammographie ohne Verdachtsdiagnose zu erhalten, müssen Frauen ab 70 eine Hotline anrufen, ein E-Mail schreiben oder eine Webseite nützen. Dies ist für viele Frauen eine große Hürde. Ich sehe darin eine Frauen-, eine Alters- und eine soziale Diskriminierung. 

FRAGE: Warum ist es so wichtig, die Brust regelmäßig untersuchen zu lassen? 
Pittermann: Im Anfangsstadium verläuft Krebs symptomlos. Um tastbar zu sein, muss der Tumor bereits eine gewisse Größe erreicht haben und relativ oberflächlich liegen. Je früher das Mammakarzinom entdeckt wird, desto eher ist es heilbar. Seit vielen Jahren haben die betreuenden GynäkologInnen und AllgemeinmedizinerInnen Frauen zur Vorsorge der Mammographie zugewiesen. Es gelang auf diese Weise, viele an Brustkrebs erkrankte Frauen zu heilen bzw. ihnen noch ein längeres und besseres Leben zu geben.

FRAGE: Das Brustkrebs-Früherkennungsprogramm sollte mehr Frauen zur Mammografie bringen, doch noch ist das nicht der Fall. Warum gehen so wenige Frauen zur Vorsorge?
Pittermann: Viele Frauen wissen noch nicht, dass sie nicht mehr durch ihre ÄrztInnen ohne bestimmte Symptome zur Mammographie zugewiesen werden können und haben die Einladungen ignoriert. Die Menschen erhalten viel Reklame und werfen Unpersönliches weg. Wahrscheinlich ist die Einladung nicht niederschwellig genug. Ich hoffe, es wird evaluiert, wie viele Frauen über 47 Jahren sich aufgrund der Einladung zum ersten Mal einer Mammographie unterziehen. Wahrscheinlich ist das ärztliche Gespräch noch immer der beste Auslöser für eine Mammographie!

FRAGE: Bisher wurden Frauen direkt von ihrem Gynäkologen an ein Radiologie-Institut überwiesen. Jetzt erhalten sie eine Einladung der Sozialversicherung, eine ärztliche Zuweisung ist nicht mehr notwendig. Wie beurteilen Sie das neue System? 
Pittermann:  Screeningprogramme sind international üblich, daher wollte man auch in Österreich ein Brustkrebs-Screening einführen. Die Frauen waren seit Jahren gewöhnt, ihren Gynäkologen bzw. ihre Gynäkologin aufzusuchen und von diesen zu einer Mammographie zugewiesen zu werden und den Befund zu besprechen. Dies war doppelt gut, denn auch die gynäkologische Untersuchung ist zum rechtzeitigen Erkennen von gynäkologischen Erkrankungen unerlässlich. Dass Frauen ohne ärztliche Überweisung und gynäkologische fachärztliche Kontrolle eine Mammographie erhalten, ist daher suboptimal. Keinesfalls sollen Kontakte mit GynäkologInnen und die Anzahl der Mammographien rückläufig sein! Leider gibt es bis jetzt zu wenige veröffentlichte Evaluierungen des Brustkrebs-Screenings. Die sehr teure TV-Werbung lässt aber den Schluss zu, dass wenige Frauen der Einladung Folge leisten. Um die Effizienz der Werbung zu erkennen, müsste man erfahren, welche Steigerung der Teilnahme am Screeningprogramm während der Wochen der Werbung und im Anschluss daran erzielt wurde.

FRAGE: Man könnte auch darüber spekulieren, ob der Einladungsbrief als hilfreich empfunden wird, oder ob Frauen doch lieber selbst entscheiden möchten, wann sie zur Untersuchung gehen. Wie schätzen Sie die Reaktionen ein?
Pittermann: Bis jetzt scheint der Einladungsbrief nicht besonders hilfreich zu sein. Frauen haben im Allgemeinen großes Vertrauen zu ihren GynäkologInnen und verlassen sich auf deren Untersuchungen. Sie wollen die Befunde mit ihnen besprechen und auch von ihnen wieder bestellt werden. Viele Frauen kennen noch nicht die Hürden für eine Überweisung zum Facharzt, übersehen die Einladung zum Screening und bezahlen dann manchmal die Untersuchung privat. 

FRAGE: Sie haben sich stets dafür eingesetzt, dass es bei Gesundheitsleistungen kein Alterslimit und keine Diskriminierung geben darf. Frauen ab 70 Jahren können auch am Brustkrebs-Screening teilnehmen, sie müssen aber extra eine Einladung anfordern – über eine Hotline oder über eine Webseite. Wie ist es aus Ihrer Sicht um die Brustkrebs-Vorsorge der Frauen ab 70 bestellt?
Pittermann: Es ist für mich wie für all jene, die speziell die Interessen der älteren Generation vertreten, sehr traurig, diese Hürde und Diskriminierung zu sehen. Da die Inzidenz der Erkrankung ab 70 noch weiter ansteigt, gibt es keinen medizinischen Grund, die Frühdiagnostik zu erschweren. 
 Wenn man wie am 29.07.2015 in der Tageszeitung „Die Presse“ lesen konnte, dass die Männer beim Urologen eine komplette Ultraschalluntersuchung ihrer Urogenitalorgane erhalten können, den Frauen das bei den GynäkologInnen aber nicht möglich ist, dann ist das eine Geschlechterdiskriminierung. Daher sollte sofort wieder die Zuweisung zur Mammographie zumindest für die Frauen ab 70 ohne Hürden ermöglicht werden, ebenso wie die Ultraschalluntersuchung der Genitalorgane durch GynäkologInnen.

FRAGE: Wenn man eine Einladung zur Mammographie erhält und diese in Anspruch nehmen möchte, was ist hier weiter zu tun?
Pittermann: Sich in einem der angegeben Institute anmelden und mit der Einladung zum vereinbarten Termin in das Röntgeninstitut gehen, um die Mammographie durchführen zu lassen. Bilder und Befund sind aufzubewahren. Es ist sehr gut, mit dem Befund und den Bildern die GynäkologInnen  aufzusuchen.

FRAGE: Mit Blick auf das Brustkrebs-Screening: sehen Sie noch weiteren Handlungsbedarf, und in welchen Bereichen sollte das Programm noch überarbeitet werden?
Pittermann: Bei der Einladung gehört der Hinweis eingefügt, dass die Einladung nicht den Besuch bei den (dem) Gynäkologen ersetzen kann und der Befund und die Bilder mit ihnen besprochen werden sollten. Die Altersdiskriminierung ist sofort zu beenden, und ab 70 sollte jede Frau wie früher einen hürdenlosen Zugang zur Mammographie haben. Sei es durch Überweisung oder ebenfalls mit Einladung, falls man auch jene Gruppe einbeziehen will, die bisher noch nie bei einer Mammographie war. 
 Vierteljährlich sollte über die Teilnahme am Mammascreening und die Erfolge berichtet werden. Ganz wichtig ist, zu erfassen, wie viele über 47-Jährige aufgrund der Einladung zum ersten Mal teilnehmen und bei wie vielen Teilnehmerinnen  in welchem Alter und Stadium ein Mammakarzinom neu entdeckt wurde. Ebenso sollten alle Erkrankungsfälle von Nichtteilnehmerinnen nach Alter und Stadium ebenfalls statistisch erfasst werden.

Gut zu wissen:
Frauen im Alter zwischen 45 und 69 Jahren können alle 24 Monate mit ihrer e-Card zur Mammographie gehen, eine ärztliche Zuweisung ist nicht mehr nötig. Frauen im Alter von 40 bis 44 Jahren bzw. ab 70 Jahren können sich per Telefon oder auf der Webseite www.frueh-erkennen.at zum Programm anmelden und erhalten eine Einladung zur Mammographie. 

Dr. Elisabeth Pittermann
Dr. Elisabeth Pittermann ist heute Gesundheitssprecherin des Pensionistenverbandes Österreich und blickt auf eine langjährige medizinische und politische Karriere zurück. Elisabeth Pittermann studierte zunächst Medizin und promovierte 1971 subauspiciis. Nach ihrem Studium absolvierte Pittermann im Wiener Hanusch Krankenhaus ihre Ausbildung zur Fachärztin für Innere Medizin. Von 1978 bis 1991 war sie dort als Oberärztin und von 1991 bis Jahr 2011schließlich als Primaria tätig. Parallel dazu war Pittermann politisch tätig und bekleidete eine Reihe an Funktionen. So gehörte sie von 1994 bis 2000 dem österreichischen Nationalrat an und war von 2000 bis 2004 Wiener Stadträtin für Gesundheit und Spitalswesen.