Der „Hausarzt neu“ lässt sich leicht an folgendem Beispiel erklären:
Leidet man an einer Augenkrankheit, sucht man einen Augenarzt auf – u.z. ohne vorab einen Hausarzt zu kontaktieren.
Leidet ein Patient hingegen an Schwindelzuständen, hat er die schwierige Wahl zwischen einem Internisten, einem Neurologen, einem Orthopäden oder eben seinem Hausarzt. Es macht daher durchaus Sinn sowohl die Erstdiagnose als auch die mögliche Wahl eines Spezialisten durch den Hausarzt vornehmen zu lassen.
Das Tätigkeitsprofil des „Hausarztes neu“ definiert sich daher wie folgt:
1. Erster Ansprechpartner für ein Gesundheitsproblem
· Triage: Anamnese, klinische Untersuchung, Erkennen abwendbar gefährlicher Verläufe
· Aufklärung und Gespräch über weiteres Vorgehen
· Befundsammlung, Arzneimittelmanagement, Zuweisungsmanagement (Lotsenfunktion)
· elektronische Vernetzung
· Hausbesuche
2. Rationale und evidenzbasierte Diagnostik und ausreichende und zweckmäßige Behandlung
a. Akute Erkrankungen
· Abklärung einfacher und komplexer Krankheiten mit rationaler Stufendiagnostik (Anamnese, klinischer Befund, ggfs. Watchful Waiting oder weitere technische Untersuchungen oder Überweisung)
· interdisziplinäre Zusammenarbeit
· Gespräch
· Verordnungen
· Behandlung
b. Chronische Erkrankungen
· strukturierte Betreuung chronisch Kranker
· Therapiemanagement: Gespräch, Verordnungen, Follow-up, Monitoring
· Schulung für Selbstmanagement (delegierbar)
· interdisziplinäre Zusammenarbeit (Zu- und Überweisungen)
c. Definierte Spezialisierungen
· anerkannte Spezialisierungen (DFP-Diplome, z. B. Psychotherapie, Geriatrie)
· operative Leistungen
· invasive Diagnose- und Therapieverfahren
· interdisziplinäre Zusammenarbeit
3. Evidenzbasierte Prävention (Primär- und Sekundärprävention)
· Risikostratifikation
· (Initiierung von) Beratung und Schulung
· Vorsorgeuntersuchungsprogramm
· Früherkennungsuntersuchungen
· Impfungen
· Organisation der Tertiärprävention
4. Sozialpsychologisches Management
· Aufklärung der Angehörigen und Patienten
· Psychosoziale Grundversorgung
· Kooperation mit sozialen Netzen
· Zusammenarbeit – gezielte Zuweisung
5. Aus- und Fortbildung
· Ausbildung
· kontinuierliche Fortbildung
6. Lehre
· Führung einer Lehrpraxis
· Ausbildung von Turnusärzten
Ganz konkret sollten mit einer Einführung eines „Hausarztes neu“ die Versorgungsqualität für die Patienten erhöht und durch eine so gestaltete medizinische Primärversorgung Einsparungen generiert werden.
Daraus ergeben sich folgenden Zielsetzungen:
1. Eine bessere Führung von Patienten durchs Gesundheitssystem und Erhöhung der Betreuungskontinuität (z. B. indem der Hausarzt die Gesamtbetreuungsverantwortung insbesondere für chronisch Kranke übernimmt).
2. Steigerung der Versorgungsqualität
3. Einbindung von Public-Health-Ansätzen in die hausarztbasierte medizinische Primärversorgung (z. B. durch vermehrte Gesundheitsförderungs- und Präventionsprogrammen).
4. Sicherstellung einer kontinuierlichen flächendeckenden Versorgung und Steigerung der Servicequalität im niedergelassenen Bereich (z. B. durch Orientierung der Öffnungszeiten am Bedarf der Patienten und Vernetzung der Leistungserbringer).
5. Förderung eines bedarfsorientierten Leistungsangebots.
6. Erschließung von Effizienzpotenzialen (z. B. durch Verringerung der Facharztkontakte bzw. Ambulanzkontakte und zielgerichteter Verordnung von Arzneimitteln).
7. Schaffung eines Angebots für die Versorgung chronisch kranker Menschen (derzeit ist nur ein Disease-Management-Programm für Diabetiker vorhanden).
Wichtig ist ein klares Rollenbild des Hausarztes, das sicherstellt, dass Patienten tatsächlich Klarheit darüber haben, mit welchen Problemen sie sich an ihren Hausarzt wenden können. Aktuell ist dies für die Patienten intransparent und nicht nachvollziehbar.
Ich rate Ihnen: Suchen Sie sich einen Hausarzt zu dem sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen können und wenden sie sich im Krankheitsfall – nicht im Notfall – zuerst an diesen bevor sie einen Spezialisten oder ein Spital aufsuchen.
Franz Bittner