Es hätte so schön sein können für die Wiener BürgerInnen. Endlich deutlich mehr Geld für die Gesundheitsversorgung. Und Defizite gibt es genug im System, die mehr Finanzierungsmittel brauchen: Das Problem der KassenärztInnen versus WahlärztInnen , Long Covid und kein Ende in der Langzeitversorgung, Nur 71 Kinderärztinnen und -ärzte für 250.000 Kinder und Jugendliche oder die verzweifelte Suche nach AllgemeinmedizinerInnen mit Kassenvertrag.
Was wurde versprochen?
Gleiche Leistung für gleiches Geld und dazu eine schlanke und effiziente Verwaltung. Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein, vor allem in Österreich. Eingespart werden sollte bis 2023 eine Milliarde Euro laut dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz und der Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein im Jahr 2018. Und diese eingesparte Milliarde sollte den PatientInnen in Form eines besseren Angebots zugutekommen.
Zu diesem Zweck der Einsparung wurden die neun Gebietskrankenkassen der Bundesländer zur ÖGK fusioniert. Zusätzlich wurden die Kassen der Selbstständigen und der Bauern zur SVS zusammengelegt, jene der Beamten und der Eisenbahner zur BVAEB. Viele haben schon zu Beginn an den überoptimistischen Plänen der Regierung gezweifelt, die Ärztekammer sah „eine sündteure Marketingaktion“ und forderte vehement die Patientenmilliarde ein. << öffnet in einem eigenen Fenster
Ich als ehemaliger Obmann der WGKK sah und sehe diese „Reform“ als Enteignung der Versichertengemeinschaft, die nur einem Zweck diente, die Machtverhältnisse in den Gebietskrankenkassen drastisch zu verändern, indem die ArbeitnehmervertreterInnen gegen ArbeitgebervertreterInnen ausgetauscht wurden und die Wirtschaftskammer nun die gesundheitspolitischen Ziele für die ArbeiterInnen und Angestellten definiert und auch die Macht hat, diese umzusetzen.
Wo ist die Milliarde?
Die Milliarde ist nun futsch. Statt einzusparen, wurde mehr ausgegeben, weil große Organisationen nun einmal sehr schwer zu steuern sind. Das ist die traurige Wahrheit. Im Rohbericht des Rechnungshofes steht bereits auf Seite 10: „Anstelle der Einsparung von 1 Mrd. EUR ergab sich ein Mehraufwand von 214,95 Mio. EUR.“ Die PrüferInnen verglichen die tatsächlichen Verwaltungskosten und die Prognosen für das Jahr 2023, die aus dem Februar 2022 stammen, mit den Einsparungszielen der Regierung aus dem Jahr 2018. Das Soll wurde um 1,21 Milliarden gesprengt.
Die Coronakrise kann auch nicht als Ausrede für die Kostenexplosion herhalten: Denn die PatientInnen haben während der Pandemie sogar weniger medizinische Leistungen in Anspruch genommen und daher fiel das Ergebnis der ÖGK für das Jahr 2020 sogar besser aus als geplant.
Was soll nun passieren?
Das Fazit der PrüferInnen: „Der RH hielt daher eine Neudefinition von realistischen Zielen für nötig.“ Und genau das muss nun auch gemacht werden. Es ist zu hinterfragen, ob die Kosteneinsparungen in der Organisation, der Verwaltung, bei der IT tatsächlich möglich sind. Eine Reorganisation und ein neues Logo der ÖGK sind definitiv zu wenig.
„Was wir längst gewusst haben, hat wie medial kolportiert nun der Rechnungshof bestätigt: Statt der versprochenen ‚Patientenmilliarde‘ gab es nur Mehrkosten“, reagierte Johannes Steinhart, Präsident der Ärztekammer, empört. „Es war uns längst klar, dass es sich bei diesen Versprechungen maximal um Wunschdenken gehandelt haben kann. Jetzt können wir wohl endgültig dieses Märchenbuch schließen.“ Entweder sei man belogen worden, oder das Management habe versagt. Nun müsse „der Scherbenhaufen“ aufgeräumt werden, so Steinhart. Er forderte eine Rückgabe der Kompetenzen an die Landesstellen und deutliche Finanzspritzen für die Gesundheitskasse.
Mein Appell: In der Gesundheitspolitik muss endlich zum Wohl und Vorteil der PatientInnen entschieden werden. Ideologie und neoliberalistische Einsparungsfantasien bringen niemandem etwas. Im Gegenteil, sie kosten nur am Ende noch mehr Geld. Den Gesundheitsminister stellen mit Johannes Rauch die Grünen. Ich appelliere an Minister und seine ParteikollegInnen jetzt zu handeln und die Notbremse zu ziehen. Unser Gesundheitssystem ist zu wertvoll und zu wichtig um es der Wirtschaftskammer bzw. dem Wirtschaftsbund der ÖVP anzuvertrauen.
Ihr Franz Bittner