Die Pflege alter Menschen ist ein sensibles Thema. Einerseits für die Betroffenen selbst, als auch für die betreuenden Angehörigen. Das Burgenland hat mit seiner Lösung der Anstellung pflegender Angehöriger viel Aufmerksamkeit und Interesse auf sich gezogen.
So funktioniert das burgenländische Modell
Wer einen Angehörigen in der Pflegestufe fünf vierzig Stunden pro Woche pflegt, werde künftig 1.700 Euro netto verdienen. Bei Pflegestufe vier sind 30 Stunden Betreuung vorgesehen. Dafür sollen 1.400 Euro netto bezahlt werden und bei Pflegestufe drei sind es 20 Stunden und 1.000 Euro netto. Mit Februar 2020 sind im Burgenland rund 100 pflegende Angehörige angestellt. Schätzungen des Landes besagen, dass es circa 400 bis 600 Personen im Burgenland gibt, die Angehörige daheim betreuen und die Anforderungen für das Anstellungsmodell erfüllen. Denn oft führt die private Pflege eines Angehörigen dazu, dass sich Pflege und Job nicht mehr miteinander vereinbaren lassen. Gerade Frauen trifft diese Mehrbelastung doppelt. Sie übernehmen zumeist die Pflege, können dadurch nur eingeschränkt oder gar nicht berufstätig sein und haben bereits durch Kinderkarenzzeiten eine geringere Anzahl an Pensionszeiten. Ihnen wird mit dem Modell besonders geholfen.
Die Anforderungen für das Anstellungsmodell
Die Anforderungen sind gesetzlich sehr eng gehalten. Erst wenn Pflegestufe drei festgestellt wird und – wenn nicht vorhanden – ab einem absolvierten Pflegebasiskurs von 100 Stunden vom jeweiligen Angehörigen ist man qualifiziert. Der Kurs wird vom Land bezahlt. Der Arbeitsort darf vom Hauptwohnsitz der zu pflegenden Person zudem nicht länger als 15 Minuten entfernt sein. Für Pensionisten ist übrigens keine Anstellung vorgesehen. Allerdings können sie eine Aufzahlungs-Förderung bekommen, wenn das Haushaltsnettoeinkommen aller im Haushalt lebenden Personen unter 1700 Euro netto liegt.
Stimmen zum burgenländischen Pflegemodell
Die zuständige Gewerkschaft Vida sieht es positiv und wünscht sich im Zuge der Umsetzung auch bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Pflegebereich. Die Volkshilfe findet das neue Konzept gut, insbesondere dass sich das Land Burgenland so intensiv mit dem Thema Pflege auseinandersetzt. Der Pensionistenverband (PVÖ) findet die Lösung ebenfalls gut, da pflegende Angehörige die bereits in Pension sind entlastet werden.
Kritische Stimmen weisen darauf hin, dass auch junge Pflegebedürftige und die Eltern schwer behinderter Kinder Unterstützung benötigen. Auch hängt es nicht allein davon ab, ob sich ein Mensch liebevoll wahrgenommen und gut gepflegt fühlt, wenn er in den eigenen vier Wänden statt in einem Pflegeheim lebt. Gerade sozialer Kontakt ist wichtig und es braucht Zeit für Austausch, Miteinander und der gegenseitigen Unterstützung, die in Heimen teilweise leichter umgesetzt werden kann.
Unangenehme Nebenwirkungen befürchtet die Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger. Eine Anstellung kann das familiäre Verhältnis zwischen Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen massiv stören. Und es müsse bedacht werden, dass pflegende Angehörige, trotz einer Heimhilfeausbildung, keine professionelle Pflege verrichten können und dürfen.
Die Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger Meinhard-Schiebel warnt: „Die versteckte Funktion eines Auftraggebers durch die/den Pflegebedürftigen bringt in das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Pflegebedürftigen und pflegende Angehörige eine extrem konflikthafte Situation ein. So kann es neben möglichen Pflegefehlern zu einer extremen psychischen Belastung der Personen im System selbst kommen.“
Mein Wunsch: Österreich wird immer älter. Das liegt auch an unserem ausgezeichneten Gesundheitssystem. Trotzdem dürfen wir uns hier nicht zurücklehnen. Alle Lösungen zur Betreuung und Pflege älterer Mitbürger müssen vorurteilsfrei geprüft werden. Und die besten Lösungen umgesetzt werden. Es braucht eine soziale Absicherung pflegender Angehöriger, damit diese später von ihrer Pension leben können. Und wir brauchen die besten Standards in den Pflege- und Betreuungseinrichtungen und auch dort eine angemessene Bezahlung. Das müssen wir uns selbst wert sein. Und von der Politik die notwendigen Lösungen einfordern.