Man kann es kaum glauben, ist aber die Realität in Österreich. Seit Wochen sind die bewährtesten Breitband-Antibiotikasäfte für Kinder nicht verfügbar und es gibt Wartelisten für Kinder und Erwachsene mit mehr als 23.000 Packungen. Auch im März werden sie nicht mehr geliefert, denn der Großhandel und die Apotheken haben keine Vorräte. Das sagt Apothekerkammer-Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr und sie fordert daher die Republik bzw. die Bundesregierung auf, die Rohstoffe im Ausland zu kaufen, damit die Apotheken die Mittel selbst herstellen können.
Sind tatsächlich so viele Menschen von Lieferengpässen betroffen?
Laut einer Marktagent-Umfrage, die von Ende Jänner bis Anfang Februar 2023 durchgeführt wurde, ist mindestens jede sechste Person in Österreich bisher direkt vom anhaltenden Lieferengpass bei Medikamenten betroffen. 17 Prozent der 1.000 befragten Österreicher*innen zwischen 14 und 75 Jahren gaben an, selbst von den Engpässen betroffen zu sein. 14 Prozent kennen zumindest Betroffene im eigenen Haushalt und/oder 13 Prozent jemanden im engeren Umfeld. Für mehr als ein Drittel der Befragten (36 Prozent) stellt die Knappheit von Antibiotika, Schmerzmitteln und Co eine Bedrohung dar.
Laut dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) sind derzeit 610 Medikamente nicht oder nur eingeschränkt lieferbar, hauptsächlich alltägliche Medikamente, wie Antibiotika, Schmerzmittel und Fiebersenker. Besonders schwer ist es derzeit etwa, an Antibiotikasäfte für Kinder zu kommen.
Wie kann es zu so einem Lieferengpass kommen?
Damit hat sich der seit Herbst besonders akute Lieferengpass bei bestimmten Medikamenten noch einmal bei Antibiotika für Kinder verschärft. 2019 seien in Österreich etwa 130.000 Packungen an Kinder-Antibiotikasäften verbraucht worden, im Jahr 2022 wurden rund 80.000 Packungen abgegeben, mehr standen nicht zur Verfügung. „Wir haben es nicht einmal geschafft, den Jahresbedarf von vor der Pandemie zu decken“, sagte Mursch-Edlmayr.
Gerade bei billigen Arzneimitteln, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist, wird inzwischen wegen der geringen Produktionskosten fast ausschließlich in Asien hergestellt, meistens in Indien oder China. Bei vielen Produkten mit Engpässen kommen die Wirkstoffe von dort, in Europa erfolgen lediglich die letzten Schritte in Form der Verarbeitung zu Tabletten oder Saft.
Die Versorgung mit Wirkstoffen läuft immer wieder schleppend. Ein wichtiger Grund dafür sind Lieferverzögerungen aus China wegen der Nachwirkungen der Corona-Lockdowns. Und auch in Indien gibt es Probleme. So wurde 2020 wegen Corona eine Exportsperre für bestimmte Medikamente verhängt und dadurch entstand ein Paracetamol-Engpass in Europa. Nur ein Beispiel, wie abhängig Europa von den Importen der Wirkstoffe ist.
Die fehlenden Maßnahmen in der EU und Österreich
Eine hohe Nachfrage nach Medikamenten trifft auf zu geringe Produktionsmengen bei Wirkstoffen in der weltweiten Produktion. Um diesem Problem vorzubeugen, gibt es beispielsweise eine staatlich vorgeschriebene Lagerhaltung bei bestimmten Medikamenten. Doch auch hier gehen Österreich und die EU zögerlich vor.
Der Pharmagroßhandel fordert seit Beginn der Pandemie ein Notfalllager für Medikamente in Österreich. Es solle „vielleicht 200 Produkte, die man nicht gut austauschen kann“, umfassen, sagte Pharma-Großhandelsvertreter Andreas Windischbauer im vergangenen Dezember.
„Wir wissen, es gibt Rohstoff am Markt zurzeit und wir wissen genau, wie viel Rohstoff wir brauchen für diese Produkte“, betonte die Apothekerkammer-Präsidentin. Die Kammer habe dem Gesundheitsministerium angeboten, diese Produkte in den Apotheken frisch zuzubereiten – in sogenannter Magistraler Rezeptur.
„Der Vorschlag der Apothekerkammer ist aus Sicht des Gesundheitsministeriums kurzfristig leider nicht umsetzbar. Es fehlt die gesetzliche Grundlage, damit der Bund Wirkstoffe ankauft. In Österreich fehlt aktuell die Möglichkeit der Wirkstoffverschreibung. „Österreich ist derzeit das einzige europäische Land, in dem es weder eine gesetzlich geregelte Wirkstoffverschreibung noch eine Arzneimittelsubstitution gibt. Diese auch in Österreich umzusetzen, ist seit 2019 bereits ein Anliegen des Gesundheitsministeriums“, heißt es in der Stellungnahme. Dieses Vorhaben wurde übrigens vor vier Jahren gestartet!!
Mein Appell: Machen. Einfach machen!
BM Rauch könnte auch mittels einer zeitlich begrenzten Notverordnung eine magistrale Zubereitung für Antibiotika den Apothekern erlauben.Die Pharmaindustrie ist durch die Verträge mit der Sozialversicherung verpflichtet, die nötige Anzahl von Heilmittel vorrätig zu haben. Dieser Verpflichtung ist sie ungenügend nachgekommen. Durch die von BM Rauch geforderte Wirkstoffverschreibung wäre das derzeitige Problem natürlich auch nicht gelöst, würde aber die Misere etwas lindern. Wichtig wäre die Umsetzung der Notfalllager für Medikamente. Die Probleme sind seit Corona bekannt und es ist die Aufgabe der Verantwortlichen für Lösungen zu sorgen
Ihr Franz Bittner