| Franz Bittner

Betreuungszeit statt Wartezeit!

Die Probleme in unserem Gesundheitssystem – insbesondere der Mangel an Ärzt*innen – steigen drastisch an, hier eine kurze Übersicht der letzten Zeit:

Die Probleme sind bekannt, doch es fehlt nach wie vor an echten Lösungen. Die Hilflosigkeit der Politik zeigt sich nun in Einzelentscheidungen, die viel Staub aufwirbeln aber das Grundproblem weiter ignorieren.

Die Vorschläge des Bundeskanzlers

In seiner Rede zur Zukunft Österreichs führte Bundeskanzler Nehammer unter anderem das Anliegen an, dass bis 2030 Altersarmut in der Pension „kein Thema mehr“ sein solle. Um das zu erreichen, müssten Anreize gesetzt werden, damit Menschen länger arbeiten wollen und können. Eine wesentliche Voraussetzung dafür sei die Gesundheit und das Ziel müsse daher laut Nehammer sein, dass wir „nicht nur immer älter werden, sondern gesund älter werden“. Daher brauche es auch Verbesserungen in Österreichs Gesundheitssystem, unter anderem den Ausbau des Kassenarztsystems. Denn bis 2030 fehlen Österreich 800 zusätzliche Kassenärzt*innen, um ganz Österreich bestmöglich gesundheitlich zu versorgen.

Dafür sollten die Medizinstudienplätze ausgebaut und eine Berufspflicht für Absolvent*innen im Inland eingeführt werden. Solche freiwilligen, rechtlich abgesicherten Verpflichtungen gibt es schon in Deutschland und damit wäre es auch in Österreich möglich. Mit der sogenannten „Landarztquote“ ist in Deutschland ein bereits europarechtskonformes Modell in Umsetzung.  Vorrangigen Zugang zum Medizinstudium bekommen jene, die sich verpflichten nach der Ausbildung für eine bestimmte Zeit (Vorschlag zehn Jahre) als Kassenärzt*in, in Ambulanzen, Primärversorgungszentren oder in öffentlichen Spitälern zu arbeiten. Eine solche rechtlich korrekte Regelung könnte auch in Österreich eingeführt und auf rund 3000 Studienplätze zielgerichtet umgesetzt werden.

Warum fehlen so viele Kassenärzt*innen?

Das ist der springende Punkt, den die Politik und Entscheidungsträger*innen leider noch immer weitgehend ignorieren. Es sollte in der Diskussion um die Versorgung der Patient*innen und Verbesserungen der Rahmenbedingungen statt um Zwänge und Verpflichtungen für die Jungärzt*innen gehen.

Die Patient*innen leiden unter dem Kassenärztemangel, nicht weil uns die Köpfe fehlen – sondern weil viele Ärzt*innen einfach nicht Vertragsärzt*innen werden wollen. So einfach ist das.

Die Mediziner*innen beklagen vor allem, dass Kassenärzt*innen viel zu wenig Zeit für die Betreuung der Patient*innen zur Verfügung steht. Es braucht eine Abkehr von der „5-Minuten-Medizin“ für die Behandlung beim Kassenarzt. Auf den Termin müssen Patient*innen allerdings oft mehrere Monate warten. Beides begünstigt die Entscheidung für Wahlärzt*innen, wenn man sich das leisten kann – also die 2-Klassen-Medizin.

Wie die Ärztekammer berichtet, betreuen Allgemeinmediziner*innen durchschnittlich 100 bis 120 Patient*innen pro Tag! Laut dem Bericht des Rechnungshofs kommt es am Tag zu durchschnittlich 65 Konsultationen mit E-Card. Für eine individuelle Betreuung der Patient*innen fehlt da die Zeit. Die notwendigen Gespräche, um eine Beziehung zu den Patient*innen aufzubauen, dürfen die Kassenärzt*innen aber nicht abrechnen. Der Leistungskatalog führt nur spezielle Untersuchungen und Eingriffe auf und viele Mediziner*innen wünschen sich daher eine Überarbeitung. Auch die Gesundheitskasse stimmt diesem Wunsch grundsätzlich zu. Geändert hat sich in den vergangenen Jahren dennoch nichts, was einzig und allein am Sparzwang seitens der Politik liegt.

 

Mein Appell: Wir brauchen Lösungen. Wir brauchen die Einsicht, dass sich die Bedürfnisse sowohl von Ärzt*innen als auch von Patient*innen gewandelt haben. Populistische Einzelaktionen von Politiker*innen (aller Parteien) lösen keine Probleme. Die Patient*innen wünschen sich Betreuungszeit statt Wartezeit. Dafür braucht es mehr Ärzt*innen und bessere Arbeitsbedingungen. Alle wissen das. Wie schön wäre es, wenn die Politiker*innen dafür das Budget finden.

Ihr Franz Bittner