| Franz Bittner

Armut macht Kinder und Jugendliche krank.

Diese Zahlen machen sehr betroffen. 350.000 Kinder leben hierzulande in Armut. Sie sind häufiger von Unfällen betroffen, erkranken öfter und haben eine geringere Lebenserwartung. Das zeigt eine aktuelle Umfrage von Ärztekammer und Volkshilfe Österreich << öffnet in einem eigenen Fenster und zum Download hier << öffnet in einem eigenen Fenster.

Armut beeinflusst demnach von der Wiege bis zum Grabe. Und die Situation verschlimmert sich, denn 2015 waren es 280.000 betroffene Kinder und Jugendliche << öffnet in einem eigenen Fenster.

Gesundheitlichen Benachteiligungen in der Kindheit prägen das ganze Leben. In Österreich ist jedes fünfte Kind von Armut betroffen! Und die Corona-Krise spitzt den Zusammenhang von Armut und Gesundheit noch weiter zu. Armutsbetroffene Kinder und Jugendliche sind besonders auf öffentliche Infrastruktur und Unterstützung angewiesen, weil ihre Eltern mangelnde Ressourcen des Sozialstaates nicht auf eigenen Kosten ausgleichen können.  Wie sehr Kinder unter den Lockdowns gelitten haben, lesen sie hier.

Grundsätzlich haben alle versicherten Menschen einen guten Zugang zu medizinischer Versorgung in Österreich. Schaut man allerdings auf die Details, erkennt man Ungleichheiten und unterschiedliche Belastungen. Das können kostenpflichtige Behandlungen, wie für zahnmedizinische Leistungen und Behelfe für Kinder sein, die Selbstbehalte erfordern. Für armutsbetroffene Familien stellen solche Kosten zum Teil massive Herausforderungen dar. In einem reichen Land wie Österreich ist das eine echte Schande.

 

Einige Beispiele zu den gesundheitlichen Problemen und Benachteiligungen:

 

Ernährung

Ärmere Kinder und Jugendliche essen deutlich weniger häufig Gemüse im Vergleich mit den höchsten 20 Prozent (32 zu 45 bei den Mädchen und 25 zu 34 bei den Burschen). Eltern schränken sich zugunsten der Gesundheit ihrer Kinder bei der Ernährung ein, wenn es finanzielle Probleme gibt. Häufiger wird dann der Schwerpunkt der Ernährung auf die Menge statt auf die qualitative Auswahl von Lebensmitteln gelegt.

 

Körperliche Aktivität und Sport

Kinder aus Familien mit niedrigem Haushaltseinkommen treiben weniger Sport und bewegen sich weniger. Die mangelnde Bewegung wirkt sich sowohl auf die Gesundheit und das Wohlbefinden als auch auf den Lernerfolg und die Konzentrationsfähigkeit aus.

Bei Kleinkindern, die insgesamt weniger an Sportangeboten teilnehmen, hängt die Teilnahme noch stärker vom Einkommen der Eltern ab. 9 Prozent der Haushalte in Österreich können sich keine Sport- und Freizeitgeräte für draußen leisten. Bei der Gruppe der Mindestsicherungsbeziehenden konnten sich 17 Prozent keine Spiel- und Freizeitgeräte für draußen (also z.B. Fahrräder oder Roller) leisten.

 

Unfallgefahr und chronische Krankheiten

Viele internationale Studien zeigen, dass Kinder aus einkommensarmen Familien eine deutlich erhöhte Unfallwahrscheinlichkeit haben. Armutsbetroffene Kinder weisen im weiteren Verlauf auch häufiger Komplikationen auf, ihre Krankheitsdauer ist damit deutlich länger.

Bei Kindern unter 5 Jahren ist Ertrinken die häufigste tödliche Unfallursache.  Das Forschungszentrum für Kinderunfälle berichtet, dass österreichweit etwa die Hälfte dieser Kinder nicht schwimmen kann. Und die Tendenz ist aktuell steigend. Denn bei Kindern unter 14 Jahren ist Ertrinken die zweithäufigste Todesursache in diesem Alter.

Mehr als 190.000 Kinder und Jugendliche leben in Österreich mit chronischen Erkrankungen bzw. mit besonderen gesundheitlichen Bedürfnissen. Sie haben eine doppelte Herausforderung, einmal gesundheitlich und dann auch im Lernalltag, z.B. wenn Fehlzeiten entstehen oder die soziale Teilhabe belastet ist, weil Mitschüler sie als Belastung wahrnehmen.

 

Mundgesundheit

Bereits im Kindergartenalter zeigt sich der Zusammenhang zwischen Armut und Mundgesundheit. Nur die Hälfte Kinder mit Karies und finanziell schlechter gestellter Eltern, hat in den ersten beiden Lebensjahren mit dem Zähneputzen begonnen.

Besonders deutlich sind diese Unterschiede bei Burschen zwischen 11- bis 15 Jahren zu sehen, wo die Gruppe der Kinder und Jugendlichen mit niedrigem Wohlstand 16 Prozentpunkte weniger Häufigkeit für täglich mehrmaliges Zähneputzen vorweist.

 

Legasthenie und Dyskalkulie

Für Lese- und Rechtschreib-Schwächen gibt es viele Gründe. Jedoch zeigt die Schulkosten-Studie der Arbeiterkammer, dass sich bei Legasthenie fast die Hälfte der armutsgefährdeten Haushalte für ihre Kinder den Nachhilfeunterricht, Förderkurse und ähnliches aus finanziellen Gründen nicht leisten können.

Für spezialisierte und erfahrene Legasthenie- bzw. Dyskalkulietrainer werden die Kosten für Behandlungen nicht von der Krankenkasse übernommen. Eine massive zusätzliche Belastung für die betroffenen Familien.

 

Psychische Gesundheit

Die Folgen von Kinderarmut auf die psychische Gesundheit sind relativ gut erforscht. Insgesamt wiesen 20 Prozent der Mädchen und 27 Prozent der Buben laut Auskunft ihrer Eltern teilweise oder eindeutig Symptome der Unruhe und Überaktivität auf.

Während bei 13 Prozent der Mädchen mit hohem sozialem Status von ihren Eltern über diese Symptome berichtet wurde, waren es bei den Mädchen mit niedrigem Sozialstatus 33 Prozent. Bei den Buben waren laut Aussagen ihrer Eltern 20 Prozent der Buben mit hohem und 34 Prozent der Buben mit niedrigem Sozialstatus teilweise oder eindeutig von Unruhe und Überaktivität betroffen.

Armutsbetroffene Kinder sind auch stärker von Mobbing betroffen, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt: 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen erfahren in der Schule Mobbing. Kinder, die materielle Sorgen haben, machen häufiger Gewalterfahrungen und werden (noch) häufiger gemobbt als andere.

 

So kann man diesen Kindern helfen!

Die gute Nachricht, es ist klar, was zu tun ist. Die Politik muss „nur“ die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Es braucht laut den Befragten im Wesentlichen:

  • ausreichend kostenlose Therapieplätze für Kinder bei medizinischer Indikation (66 Prozent),
  • kostenfreie Maßnahmen zur Mund-, und Zahngesundheit für alle unter 18 Jahren (61 Prozent),
  • die rasche Erweiterung der Krankenkassenplätze für Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen (54 Prozent) sowie die Reform beziehungsweise der Ausbau der Kassenverträge im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde.
  • den Ausbau der Gesundheitsbetreuung an Schulen nennt eine knappe Mehrheit (50 Prozent) als besonders wichtige Maßnahme.
  • 76 Prozent der Befragten sagen zudem, dass es eine starke finanzielle Absicherung von Kindern und Jugendlichen braucht, um gesundheitliche Ungleichheit auszugleichen.

 

Mein Appell an die Politik: Österreich kann und muss es sich leisten, allen Kindern einen guten und gesunden Start ins Leben zu ermöglichen. Das sind wir allen Kindern schuldig. Und gesundheitliche Probleme in der Jugend, führen zu hohen Kosten im Alter. In Kinder- und Jugendgesundheit zu investieren, lohnt sich für alle.

Ihr Franz Bittner